Der Tor-Zugang in Russland ist blockiert – was sind die Auswirkungen?

Der Tor-Zugang in Russland ist blockiert – was sind die Auswirkungen?

Die russische Medienaufsicht Roskomnadzor hat den Zugang zum Anonymisierungsbrowser Tor gesperrt. Der Grund dafür ist klar: Russland will verhindern, dass seine Bürger auf verbotene Inhalte wie Seiten mit radikal-islamistischen Botschaften, kriminelle Gruppen und Kinderpornografie zugreifen. Aber nicht nur Journalisten sind über diese Entwicklungen besorgt, auch viele andere Menschen sehen sich durch das neue Gesetz, das ihren Zugang zu Informationen und Kommunikationskanälen blockiert, eingeschränkt.

Tor Zugang in Russland blockiert

Nach Angaben von RosKomSvoboda, einer Organisation, die sich für Anonymität und gegen Internetzensur einsetzt, begann die Sperrung von Tor am 1. Dezember. Nutzer in Moskau, Sankt Petersburg, Jekaterinburg und zahlreichen anderen russischen Städten berichteten, dass sie sich seit dem 1. Dezember nicht mehr mit dem Tor-Netzwerk verbinden können.

Am 7. Dezember erhielten die Verteidiger der Internetfreiheit des Tor-Projekts ein Schreiben von Roskomnadzor, in dem sie aufgefordert wurden, „verbotenes“ Material von ihrer Website zu löschen. Andernfalls würde die Seite geschlossen werden. Der Begriff „verbotenes Material“ wurde von der Behörde nicht näher erläutert. Am folgenden Tag wurde der Zugang zur Website gesperrt.

Die Journalisten der „Nowaja Gaseta“ erklärten, dass es seit dem Herbst Schwierigkeiten bei der Nutzung des Anonymisierungsdienstes gegeben habe. Die Journalisten verwenden den Tor-Browser normalerweise, um ihre Recherchen außerhalb der staatlichen Überwachung durchzuführen, da er ihre Online-Spuren verbirgt.

Laut Mashable gibt es in Russland jeden Tag etwa 300.000 Nutzer des Dienstes. Damit ist Russland die zweitgrößte Nutzergruppe hinter Amerika. Edward Snowden, der das Tor-Netzwerk selbst genutzt hat, twitterte seine Unterstützung für ein Ende der Sperre.

Welche Alternativen gibt es in Russland zu Tor?

Tor ist ein Mittel, um sicher und verschlüsselt zu kommunizieren und Informationen auszutauschen, so eine Referentin für Internetfreiheit von Reporter ohne Grenzen, die Tor mit finanziellen Mitteln für den Betrieb zweier Tor-Server unterstützen. Es gibt viele gute Gründe, Tor-Netzwerke am Leben zu erhalten. Besonders in Ländern wie Russland, wo Reporter verfolgt werden und ihre Arbeit tödlich sein kann. Die russische Regierung hat verschiedene Methoden, um zu überwachen, was die Leute lesen und mit wem sie im Internet sprechen.

Reporter ohne Grenzen stellt fest, dass VPNs eine Alternative zu Tor sind, aber die Preisgabe der Identität an den VPN-Anbieter ist ein Problem, denn der Betreiber hat Zugriff auf die Aktivitäten des Nutzers und speichert sie. Es besteht die Möglichkeit, dass VPN-Betreiber den Forderungen der Regierung nachgeben und Nutzerdaten herausgeben. Dies ist ein echtes Problem in Russland, wo Roskomnadzor bereits eine Reihe von VPNs blockiert hat.

Im Sommer blockierte Roskomnadzor die ersten beiden VPNs, dann stellte der beliebte Browser Opera die Unterstützung für sein VPN ein. Im September wurden acht weitere beliebte VPNs gesperrt. Und dann hat Apple seinen Private Relay-Dienst in Russland abgeschaltet. Private Relay wurde entwickelt, um den gesamten Datenverkehr zu verschlüsseln, der das Gerät des Benutzers verlässt, damit ihn niemand abfangen kann. Apple war bereits in China, Weißrussland, Kolumbien, Ägypten, Kasachstan, Saudi-Arabien, Südafrika, Turkmenistan, Uganda und den Philippinen gezwungen, es unter Berufung auf „regulatorische Anforderungen“ in diesen Ländern abzuschalten. Jetzt ist Russland an der Reihe.

Wie blockiert Russland den Zugang zu Tor?

Tor, die Abkürzung für „The Onion Router“, ist ein Browser, der ähnlich wie eine Zwiebel funktioniert: Der Browser leitet den Internetverkehr mehrfach weiter, so dass es schwierig ist, festzustellen, wer Nachrichten sendet und empfängt. Jede Umleitung stellt eine weitere Zwiebelscheibe dar, die über die Identität des Absenders gelegt wird.

Es ist recht einfach möglich, direkte Tor-Verbindungen zu blockieren. Da das Tor-Netzwerk ein öffentliches Netzwerk ist und alle IP-Adressen der Tor-Portale öffentlich einsehbar sind, ist es einfach, direkte Tor-Verbindungen zu blockieren. Die russische Regierung versucht nun zu verhindern, dass Bürger in Russland mit diesen Tor-Seiten in Kontakt treten können.

Um die derzeitige Barriere zu umgehen, haben die Nutzer des Tor-Netzwerks „Bridges“ verwendet, d.h. nicht-öffentliche IP-Adressen. Sie bieten eine Hintertür zum Tor-Netzwerk und sind schwieriger zu blockieren.

Ziel: Ein souveränes russisches Internet

Die Unterstützer von Tor werden hingegen bereits von den Roskomnadsor-Behörden angegriffen: Sie haben Beweise dafür gefunden, dass die russische Regierung nicht nur die öffentlichen IP-Adressen im Tor-Netzwerk unterdrückt, sondern auch die nicht-öffentlichen. Die russische Regierung setzt beispielsweise Deep Package Inspection (DPI)-Systeme ein, um den Zugang zu Informationen zu beschränken. Diese DPI-Systeme werden bei den Russischen Internetprovidern eingesetzt, um Datenpakete zu untersuchen und ihre Übertragung zu filtern oder zu verlangsamen.

Laut Stanislav Shakirov, dem technischen Direktor von RosKomSvoboda, sind die Russischen Behörden schon länger für ähnliche Methoden bekannt: Sie gehen in kleinen Schritten vor, testen die Sperrung, und beobachten, was passiert. Roskomonadzor hat zum einen die technischen Ergebnisse analysiert, aber auch festgestellt, dass viele Menschen bereit sind, für ihr Recht auf die Nutzung von Tor zu kämpfen.

Die russische Regierung unternimmt nun trotzdem weitere Schritte, um das russische Internet vom Rest der Welt zu isolieren, und baut nach und nach ein souveränes russisches Internet auf.

Eigentlich wollte die russische Regierung schon im November dieses Jahres in der Lage sein, das Internet des Landes vom Rest der Welt abzuschneiden. Die Technologie war jedoch nicht weit genug entwickelt, um rechtzeitig vor Inkrafttreten der so genannten souveränen Internet-Gesetzgebung am 1. November getestet zu werden. Das Gesetz über das „souveräne Internet“ soll es Russland ermöglichen, sich im Falle einer Gefahr vom restlichen Internet zu trennen, während es innerhalb Russlands weiterhin funktioniert – im Wesentlichen als das größte Intranet der Welt. Die offizielle Erklärung lautet, dass die „Aggressivität“ der US-Cybersicherheitsstrategie und Russlands Bedürfnis nach effektiver Cyber-Sicherheit dies erforderlich machen.

Weitere Berichte zur Tor Sperrung in Russland:

Global Voices – Russia blocks access to Tor browser website

PCMag – Russia Blocks Tor Browser’s Main Website in Censorship Push

TechRadar – Tor browser website blocked across much of Russia

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