Internetzensur DeutschlandDas Sperren von Internetinhalten ist in Deutschland präsenter, als viele annehmen würden. 2011 schaffte es die Bundesrepublik sogar auf Platz 1 der Länder, deren Behörde am meisten Sucherergebnisse gelöscht, gesperrt oder gefiltert hatten.

Insgesamt wird das deutsche Internet dennoch als frei angesehen. Freedom House bescheinigt der Bundesrepublik zusammen mit Australien hinter Island, Estland und Kanada im Jahr 2014 sogar Platz 4. Thematische und systematische Internetsperren existieren nicht. Mit 17 Problempunkten schlägt sich Deutschland im internationalen Vergleich sehr gut.

Dennoch ist die Sperrung von Internetinhalten in Deutschland immer wieder Thema. Vor allem Kinderpornografie, rechtsextremistische Inhalte, Urheberrechtsverletzungen und Online-Glücksspiel zählen zu den Inhalten, die von einer Blockade betroffen sein sollen. In der Vergangenheit hat sich das Sperren von Internetinhalten jedoch als höchst problematisch erwiesen. Zum einen sind die technischen Möglichkeiten nicht effektiv genug, zum anderen sind von den Sperrungen auch immer wieder Inhalte betroffen, die nicht in diese Kategorien fallen. Ein Beispiel hierfür ist die Sperrung von YouPorn durch Arcor, die durch einen Verstoß gegen das Jugendmedienschutzrecht gerechtfertigt wurde, allerdings auch viele weitere Angebote ohne pornografisches Material betraf.

Zugang und Sperrungen in Deutschland 2014

  • Als eines der Hauptprobleme in Deutschland beschreibt der Bericht von Freedom House den jahrelangen Konflikt von GEMA und YouTube, der dazu führe, dass ein Großteil des kulturellen Angebotes von deutschen Usern nicht aufgerufen werden könne.
  • Automatische Suchvorschläge in Suchmaschinen müssen entfernt werden, wenn Persönlichkeitsrechte dadurch verletzt werden. Es wird zudem kritisiert, dass es keine klaren Richtlinien gibt, die privaten Unternehmen die Entscheidung zwischen Persönlichkeitsrecht und Informationsrecht vorgibt.
  • Insgesamt hat Google 138 Anfragen auf Löschung von Inhalten erhalten. Damit ist Deutschland auf Platz 4 weltweit.
  • Sobald Sharehoster auf einen konkreten Urheberrechtsverstoß hingewiesen worden sind, müssen sie Prüf-, Sperr- und Filterpflichten für die Zukunft treffen.
  • Von Seiten des Staates sind mehrfach Versuche unternommen worden, die Veröffentlichung von Dokumenten zu verhindern: Das Verteidigungsministerium versuchte, nach der Veröffentlichung von vertraulichen Materialien über den Afghanistan-Einsatz juristisch gegen die WAZ vorzugehen. Auch das Innenministerium versucht FragdenStaat.de an der Veröffentlichung eines internen Dokumentes zu verhindern.
  • Die bislang verabschiedeten Gesetze hinsichtlich der Netzneutralität sind ungenau und unvollständig.
  • Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger könnte dazu führen, dass die Vielfalt von verfügbaren Presseveröffentlichungen und andere Informationsquellen stark abnimmt. Bislang verzichteten die Unternehmen allerdings darauf, ihr Recht durchzusetzen.

Lassen sich Internetsperren durchsetzen?

Das Problem bei Sperrungen derzeit ist, dass sie aktuelle leicht umgangen werden können. Beim DNS-Hijacking werden Nutzer normalerweise bei nicht existierenden Domains automatisch auf die Adresse des eigenen Internetangebotes der Provider umgeleitet. Dies lässt sich auch nutzen, um Webseiten mit problematischen Inhalten zu blocken. Allerdings lässt sich diese Form der Sperre mit sehr einfachen Mitteln umgehen. Ein unzensierter DNS-Server, der beispielsweise als Reaktion auf die Sperre von FoeBuD eingerichtet wurde, oder das automatische Eintragen per Skript oder Registry-Datei ist selbst für Menschen ohne umfassende technische Möglichkeiten sehr leicht. In der Regel ist zudem meist ein Aufruf über die IP-Adresse ausreichend, um die von DNS-Servern gesperrten Webseiten zu erreichen. Ohnehin gibt es alternative Netzwerke wie VPNs, Proxys und Anonymizer, die Nutzer nicht nur anonymer im Internet surfen lassen können, sondern auch zur Überwindung von Zugangssperren genutzt werden können.

Ein weiteres Problem liegt in der Effektivität der Sperrmaßnahmen. Sobald eine Webseite gesperrt wird, tauchen die Inhalte in der Regel auf einer Vielzahl von weiteren Webseiten gespiegelt wieder auf. In der Regel befinden sich die neuen Seiten nicht mehr im Zugriffsbereich der Sperrmaßnahme. Dadurch, dass durch die Zensur mehr Menschen überhaupt von den zensierten Inhalten Kenntnis erhalten, kann eine solche Sperrung sogar den gegenteiligen Effekt haben und die gesperrte Seite einem größeren Personenkreis zugänglich machen.

Vorratsdatenspeicherung in Deutschland

Bei der Vorratsdatenspeicherung werden umfassend Verbindungsdaten von Telekommunikationsnutzern gespeichert. Betroffen davon sind also E-Mail-Verkehr, Telefonate und Internetnutzung. Sie werden ohne konkreten Anlass von allen Kunden gespeichert und sollen bei der Aufklärung von Straftaten helfen. Die privaten Telekommunikationsunternehmen müssen diese Daten zwischen sechs und sieben Monate speichern. Der Unterschied zu den gesammelten Daten der NSA ist, dass die Daten erst abgerufen werden dürfen, wenn es einen begründeten Verdacht gegen einen Nutzer gibt. Die NSA benötigt hingegen keinen Grund, die Daten zu nutzen.
Die Vorratsdatenspeicherung ist in Deutschland allerdings aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes lediglich für sieben Tage erlaubt. Telekommunikationsdienstleister dürfen IP-Adressen bis zu sieben Tage speichern, da diese Daten zu internen Zwecken und nicht für die Strafverfolgung genutzt werden.

Derzeit befürchten Datenschützer allerdings, dass das IT-Sicherheitsgesetz die Vorratsdatenspeicherung unter anderen Namen dennoch ermöglicht. Es soll den Telekommunikationsdienstleistern ermöglichen, Surfprotokolle zu erstellen, um Gefahren für das System zu erkennen oder Störungen zu beheben. Da solche Protokolle im Gegensatz zur Vorratsdatenspeicherung sogar inhaltsbezogen wären, ist das IT-Sicherheitsgesetz für Netzaktivisten sogar noch brisanter als die Speicherung von herkömmlichen Verkehrsdaten.

Doch auch unabhängig von der Vorratsdatenspeicherung greift der Staat auf Verkehrsdaten zu. Dies belegt beispielsweise der Transparenzbericht der Telekom aus dem Jahr 2013. Alleine hier wurden innerhalb des Jahres knapp 50.000 Anschlüsse überwacht und mehr als 435.000 Verkehrsdatensätze weitergegeben.

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