Von den etwa 75 Millionen Einwohnern Irans nutzen knapp 50 % das Internet regelmäßig. Insbesondere bei der Organisation der Massenproteste gegen die Regierung im Jahr 2009 wurden die Vorteile der globalen Vernetzung von den Einwohnern genutzt. Allerdings wurde das World Wide Web in den Folgejahren zunehmend an die staatlichen Interessen angepasst. Zynische Zungen beschreiben das Vorgehen der Machtinhaber als Neuerfindung des Internets.
In der Tat hat das Land massiv gegen die freie Verbreitung der Datenautobahn gearbeitet. „Halal Internet“ nennt sich dieser Prozess, der als Ziel die Nationalisierung des Internets vorsieht. In den vergangenen Jahren haben die Machtinhaber in Teheran die Zielvorstellung verfolgt, ein landeseigenes Intranet zu schaffen, um dadurch den Zugang der Bevölkerung zum Netz zu kontrollieren. Die Verantwortlichen rechtfertigen ihrer Haltung mit der Begründung, dass viele Internetseiten schlichtweg „unislamisch“ seien, so dass die Bürger ihres Landes davor geschützt werden müssen. Zu den bekanntesten Domains, die im Iran auf der Roten Liste stehen, gehören auch Twitter sowie Facebook. Da viele Iraner die Pläne der Regierung nicht nachvollziehen konnten, haben sie versucht, die Internetsperren mithilfe von Proxys und VPNs zu umgehen. Die Folge war, dass die verantwortlichen Politiker die Verwendung von Umgehungstechniken unter Strafe gestellt haben.
Zensur Infrastruktur und nationales Internet bzw. Intranet
Die ehemalige Regierung in Teheran hat darüber hinaus verstärkt in eine eigene Infrastruktur investiert, um den Zugang zum Internet mit staatlichen Überwachungsmaßnahmen zu kontrollieren. Beispielsweise wurde auch das bekannte Videoportal YouTube durch ein nationales Angebot ersetzt. Der ehemalige Informations- und Kommunikationsminister Mohammed Hasan Nami hat weiterhin den Plan verfolgt, eine Alternative zu Google ins Leben zu rufen. Der Regierungsentwurf sah vor, dass jedem Einwohner des Iran eine eigene E-Mail-Adresse zugewiesen werden sollte. Diese sollte unter der Domain „mail.post.ir“ registriert werden, um eine zentrale Nutzung zu gewährleisten. Der Minister rechtfertigte diese Pläne damit, dass durch die einheitliche Kommunikation zum einen der Austausch mit inländischen Behörden vereinfacht wird. Zum anderen seien die Iraner vor Cyberattacken geschützt. Insbesondere die Gefahr aus dem Ausland sei für die Einwohner nicht hinnehmbar.
Kritik an der Internetzensur von Präsident Rouhani
Seit dem 3. August 2013 ist nunmehr Hassan Rouhani der Präsident der Islamischen Republik Iran. Seit seiner Machtübernahme hat sich auch im Bereich der Internetzensur einiges bewegt. Die Pläne der alten Regierung wurden zwar nicht direkt kritisiert, jedoch folgt der Präsident bislang einer freiheitlicheren Politik.
Der Grund dafür liegt einerseits darin, dass viele Einwohner des Landes die zuvor entwickelten Internetsperren umgangen haben. Andererseits nutzen auch Politiker der heutigen Regierung die modernen Medien, um Inhalte ihrer Arbeit zu transferieren. Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nutzt beispielsweise einen eigenen Twitter-Account sowie ein Facebook-Profil. Zudem stellt er diverse Videos über seinen YouTube Kanal zur Verfügung.
Zwar ist eine derartige Nutzung auch nach wie vor nicht erlaubt, dennoch scheint die Aktivität der führenden Regierungsmitglieder ein Zeichen dafür zu sein, dass das Land in Zukunft liberaler mit dem Internet umgehen wird. Das Verbot für die Bewohner, sich einen freien Internetzugang über einen Datentunnel zu verschaffen, soll auch nicht verschärft werden. Stattdessen sehen die Pläne vor, die geltenden Zensurgesetze zu lockern.
Gegenüber dem iranischen Staatsfernsehen äußerte der derzeitige Kultusminister Ali Dschanati, dass sich das Land nicht länger vor den Vorteilen der modernen Kommunikationstechnologien verstecken dürfe. Insbesondere bestehe keine Notwendigkeit, die islamischen Werte gegenüber dem Ausland zu verteidigen. Er deutete zudem an, dass die bestehende Gesetzeslage an die aktuellen Gegebenheiten der Medienwelt angepasst werden müsse. Er verwies darauf, dass etwa 71 % der Menschen in der Millionenstadt Teheran eine Satellitenschüssel verwenden, um auch ausländische TV-Programme sowie Radiostationen zu empfangen. Eigentlich ist auch die Nutzung von Satellitenschüsseln nach iranischem Recht verboten, und stellt sogar eine Straftat dar. Nach Aussagen des Kultusministers sei eine derartige Einschätzung gegenüber den Einwohnern der Hauptstadt allerdings absurd.
Blockierte Inhalte und gesperrte Webseiten
Welche Inhalte im Iran tatsächlich über das Internet empfangen werden dürfen, bestimmt ausschließlich ein Komitee, das aus 13 Mitgliedern besteht. Der Kultusminister hat nunmehr verraten, dass sich bereits sechs Minister für eine Ausweitung des Internet Zugangs ausgesprochen haben. Ihrer Ansicht nach könne sich das Land nicht länger erlauben, eine isolierte Rolle in der Welt einzunehmen. Allerdings wird die in Aussicht gestellte Lockerung noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die alten Gesetze haben eine deutliche Spur im Land hinterlassen, wobei der Großteil der Bevölkerung der unzensierten Legalisierung erwartungsvoll entgegen sieht. Das Problem liegt jedoch bei den konservativen Oppositionsparteien sowie dem Klerus, der im Land eine mächtige Position einnimmt. Sämtliche Überlegungen der Regierungspartei wurden bislang von den Gegnern blockiert. Irans Präsident hat dennoch versprochen, auch in Zukunft an den Plänen festzuhalten. Damit ist ein erster Schritt getan, um die Menschen von der Internetzensur zu befreien. Immerhin galt diese Diskussion vor wenigen Monaten noch als undenkbar.