Die russische Regierung hat die Kontrolle über das Internet ab der Jahrtausendwende schrittweise verschärft. Seit 2012 wird eine Sperrliste von Websites unterhalten, zu denen der Zugang von den Providern blockiert werden muss. Weiterhin wendet der Staat Anti-Terror-Gesetze gegen Website-Betreiber an und überwacht den Internetverkehr mit verschiedenen Maßnahmen.
Sperrung und Filterung von Websites
Bis 2012 wurde das Internet in Russland von Bürgerrechtsorganisationen als vergleichsweise frei von direkten Zensurmaßnahmen angesehen. Nur vereinzelt wurden Websites mit pornographischen Inhalten von den Providern blockiert. Dies änderte sich in jenem Jahr mit der Einrichtung einer „schwarzen Liste“ von Websites mit verbotenen Inhalten. Die rechtliche Grundlage für die Sperrliste ist das Föderale Gesetz Nr. 139, eine Änderung des 2010 verabschiedeten Jugendmedienschutzgesetzes. Es richtet sich vornehmlich gegen Kinderpornographie, Verherrlichung von Selbstmord und illegalen Drogen sowie extremistische Inhalte. Laut Kritikern sind die Kriterien für die Aufnahme in die Liste jedoch so unscharf, dass auch oppositionelle oder regierungskritische Websites aufgrund dieses Gesetzes blockiert werden können. Seit 2013 gilt auch die positive Darstellung „nicht-traditioneller sexueller Beziehungen“, insbesondere von Homosexualität, als jugendgefährdend im Sinne dieses Gesetzes.
Die Sperrliste wird vom Föderalen Dienst für die Aufsicht im Bereich der Kommunikation, Informationstechnologie und Massenkommunikation (Roskomnadzor) unterhalten. Dieser kann einzelne URLs, Domain-Namen oder IP-Adressen von Websites in die Liste eintragen. Die Sperrliste ist nur für Provider einsehbar. Bei einem neuen Eintrag wird zunächst der Hosting-Anbieter, auf dessen Servern die beanstandete Website gespeichert ist, informiert. Dieser muss den Inhaber der Website dazu auffordern, die Seite zu entfernen und bei ausbleibender Reaktion die Inhalte vom Netz nehmen. Andernfalls muss der Zugriff auf die Website von den Internetdienstanbietern unterbunden werden. Die Provider werden für die Umsetzung der Sperren haftbar gemacht.
Weiterhin verpflichtet das Gesetz Website-Betreiber, deren Inhalte als jugendgefährdend eingestuft werden, ihre Website entsprechend des Mindestalters zu markieren. Damit wird der Einsatz von Content-Filtern ermöglicht.
Überwachungsmaßnahmen und Vorratsdatenspeicherung
Der russische Inlandsgeheimdienst FSB besitzt mit SORM ein System, um den Telekommunikationsverkehr in Russland durchgängig zu überwachen. Seit der Verabschiedung des sogenannten SORM-II-Gesetzes 1999 ist der FSB autorisiert, auch den Internetverkehr zu überwachen. Internetdienstanbieter werden seitdem verpflichtet, den Internetverkehr sowie persönliche Daten der Nutzer wie Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer über eine Routing-Infrastruktur in Echtzeit an SORM zu übermitteln. Zwar muss die Überwachung von einzelnen Nutzern durch den FSB durch ein Gericht autorisiert werden. So wurden im Jahr 2012 530.000 Überwachungsmaßnahmen genehmigt. Die Aktivitäten des FSB gelten jedoch als wenig transparent.
Das SORM-II-Gesetz wird nicht nur aus Gründen des Datenschutzes kritisiert. So hat die erforderliche teure Routing-Infrastruktur dazu geführt, dass viele kleine Internetdienstanbieter schließen mussten. Es trug damit zur Zentralisierung des ISP-Marktes bei, der heute von staatlichen Anbietern dominiert wird.
2014 verabschiedete die Staatsduma als Teil von Anti-Terror-Maßnahmen ein Gesetz, das Web-Anbieter zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet. Alle Benutzerdaten russischer Nutzer müssen sechs Monate lang auf russischen Servern gespeichert und auf Anfrage den Behörden übermittelt werden. Davon sind auch ausländische Anbieter wie etwa Facebook und Google betroffen. Anbieter, die bis 2016 diese Regelung nicht umgesetzt haben, können gesperrt werden.
Strafverfolgung von Anbietern und weitere Zensurmaßnahmen
Schon vor der Etablierung von technischen Zensurmaßnahmen ging der russische Staat mit rechtlichen Mitteln gegen bestimmte Web-Anbieter vor. So wird das Massenmediengesetz von 1991 verstärkt auch auf Websites angewandt. Dieses stellt bestimmte Inhalte in Presse, Hörfunk und Fernsehen unter Strafe. Dazu gehören einerseits Verleumdung und üble Nachrede, zum anderen auch als „terroristisch“ bezeichnete Meinungsäußerungen, die zum Hass und zur Diskriminierung von Personengruppen aufstacheln sollen.
Das Gesetz gilt nur für als Massenmedien angesehene Anbieter. Die Registrierung von Websites als Massenmedien ist freiwillig, allerdings erhält ein Webanbieter nur mit der Registrierung Zugang zu staatlichen Informationen und Pressekonferenzen. Auch wurde das Mediengesetz bereits von einigen Gerichten auf nicht registrierte Websites angewendet. Beispielsweise wurden Betreiber von Online-Foren für die nicht erfolgte Löschung hetzerischer Kommentare auf dieser Grundlage zu Strafzahlungen verurteilt.
Der russische Staat versucht weiterhin mit weniger repressiven Maßnahmen Einfluss auf die Meinungsbildung im Internet zu erhalten. So wird laut der OpenNet Initiative besonders zu Wahlkampfzeiten und während regierungskritischer Demonstrationen ein Netzwerk kremlfreundlicher Blogger unterhalten, welche die Meinungshoheit im Internet erlangen und auch Nationalismus verbreiten sollen.
Fazit: Auch Russland ist nun ein „Feind des Internets“
Die Internetzensur in Russland hat sich nach Meinung vieler Bürgerrechtsaktivisten in den letzten Jahren verschärft. Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat Russland 2014 auf die Liste der „Feinde des Internets“ eingetragen. Allein die Androhung von Sperrungen und anderen Strafen treiben viele kritische Blogger und andere Website-Anbieter in die Selbstzensur. Schon für vermeintliche Lappalien wie etwa der Darstellung des Logos der religionskritischen Punkband Pussy Riot oder der Kritik an der Ausgabenpolitik einer Lokalregierung wurden Sperren und andere Strafen verhängt. Beobachter sehen darin den Versuch der russischen Regierung, nach den traditionellen Massenmedien – die heute größtenteils vom Staat abhängig sind – auch das Internet verstärkt unter ihre Kontrolle zu bringen.